Kunst
bewegt - sich selbst, aber auch den
Betrachter. Der kann über das Gesehene, Vertrautes oder Fremdes, reflektieren,
sich und sein Leben neu einschätzen. Kunst kann ihn berühren, innerlich
bewegen, sie kann aber auch Anregung für neue Denkansätze und Bewertungen sein.
Sie kann neue Einsichten erzeugen oder bewirken, dass scheinbar bewährte Gewissheiten hinterfragt werden.
Voraussetzung dafür ist die Offenheit
zur Kunst. Man muss sich auf sie einlassen – und auf die Bewegung, die von ihr
ausgeht. Das ist der grundsätzliche
Ansatz bei dieser Ausstellung. Bewegung bedeutet immer Veränderung und
Lebendigkeit, Überraschung und Perspektivwechsel.An diesem Punkt setzt Volker Krischker mit seinen kinetischen Arbeiten an. Aus einem
scheinbaren Stillstand der Objekte entwickeln sich unerwartete Bewegungen, kaum
wahrnehmbar, langsam und fließend. In ihrer Langsamkeit entwickeln die
Maschinen eine fast meditative Ausstrahlung, die den schnellen Rhythmus des
Alltags wie selbstverständlich durchbricht.
© Volker Krischker und Bernd Böhner (Fotografie)
Stefanie Pöllot mit ihren bewegten multimedialen und
multidimensionalen Bildern, welche Analoges mit
Digitalem verknüpfen, möchte die Komplexität der Welt erfassen. Ihre poetischen, fast malerischen Fotografien, Projektionen und
Filme, die Neues mit Altem verbinden und dabei auch im kollektiven Gedächtnis
verankerte Bildtraditionen ins Heute transferieren, verdichten sich zu einem vielschichtigen magischen Kosmos aus
Raum und Zeit.
© Stefanie Pöllot
Multimedial arbeitet
auch Simona Koch. Sie erforscht in ihren artistic-research
Projekten die Spuren und Strukturen von lebendigen sowie von abiotischen Organismen, die diese fiktiv oder real auf
der Erde hinterlassen. Sie bearbeitet die
Spurensuche mit wissenschaftlichen
Fragestellungen und visualisiert ihre Ergebnisse mit klaren und ruhigen
künstlerischen Mitteln. So schafft sie mit Ihren Zeichnungen, Fotografien,
Montagen und Projektionen eine gekonnte Verbindung von Ästhetik und Wissenschaft.
© Simona Koch
Die Verknüpfung von Natur, Symbolik und Kunst thematisiert Joanna Maxellon. In ihrer Raumprojektion, bei welcher der Besucher rundum von vielfarbigen
digital generierten Schmetterlingen umschwirrt wird, widmet sie sich dem
einzigen Insekt, das eine vollkommene Metamorphose durchläuft. Auf dem
Höhepunkt seiner Entwicklung in vollkommener Schönheit beendet es seinen
Lebenszyklus und wird dadurch zum Sinnbild
des Lebens und Vergehens.
© Joanna Maxellon und Bernd Böhner (Fotografie)
Die Bewegung ist auch bei den Arbeiten von Ursula Kreutz mit impliziert. Ihre
Interventionen in den Raum sind am Übergang zwischen Zerstörung und der damit
verbundenen Auflösung vorhandener Strukturen und dem Neuaufbau angesiedelt. Die Abrissmotive auf der Fototapete werden ergänzt durch
Objektkästen in splittriger Form. Diese fragmentarischen, geschichtet
aufgebauten Bildausschnitte mit ihrer intendierten Unschärfe motivieren den
Betrachter zu ständigem Standortwechsel.
©Ursula Kreutz VG Bild Kunst 2014 und Bernd Böhner (Fotografie)
Ein Künstler, der selbst mobil sein muss, um seine Motive zu finden, ist Gerhard Rießbeck . Seine Reisen ans
Ende der arktischen und antarktischen Welt sind notwendiger Bestandteil seines
künstlerischen Lebens. Die in der Kälte vorgefundenen Eismassen als Sinnbild einer
in Schönheit erstarrten Lebendigkeit
bilden die Basis seiner Malerei. Seine Exkursionen in die Kälte und zu
sich selbst werden anhand von Reisetagebüchern, Fundstücken und Skizzen
anschaulich dokumentiert.

©Gerhard Riessbeck und Bernd Böhner (Fotografie)
Intention der Ausstellung ist es, einen Querschnitt über die verschiedenen zeitgenössischen Positionen anzubieten, die sich in ganz unterschiedlicher und überraschender Art und Weise mit den Phänomenen Bewegung, Veränderung, Wachstum, Zerstörung, Erneuerung beschäftigen. Es sollen alle Sinne des Betrachters angesprochen werden, und dazu gehört auch die vollkommene Loslösung von optischen Eindrücken hin zu einem leeren Raum. Hier hat Tanja Hemm für das Ausstellungsthema eine spezielle ortsbezogene Komposition konzipiert. Ihre Klangarbeit verbindet das Außen mit dem Innen. Der städtische Verkehrsfluss trifft auf den musealen Durchgangsraum mit barocker Stuckdecke. Beide Komponenten werden übersetzt in eine Abfolge verschiedener, aufeinander abgestimmter Klänge und Rhythmen. Die ausgestellte visuelle und akustische Kunst, die sich und andere bewegt, verweigert sich einem schnellen Konsum. Anders als der Titel möglicherweise suggeriert, motiviert sie zum Innehalten, zum Durchatmen, zum Verweilen, zum Fokussieren der Sinne.
Martina Sutter Kress, September 2014